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Kawasaki Z 750 GT

Ein Leben ohne Moped war schlicht undenkbar. Ich war 14, viele andere in der Klasse schon 15 und damit alt genug, ein Moped der Suhler Marke Simson zu bewegen – eine Schwalbe, einen Sperber, einen S50, S51 oder sogar einen SR50, einen dieser neuen Roller mit den kleinen Rädern. Die allerdings waren so neu wie uncool, so wie die Schwalbe uns uncool an die mobile Krankenschwester Agnes aus dem DDR-Fernsehen erinnerte – ganz anders als heute also, da die Hipsters allesamt Schwalbenfahrer sind oder zumindest gern wären und Schwester Agnes sogar als DVD zu haben ist. Cool war eigentlich nur eine S51 Enduro. Mit verwegen hochgebogener Sitzbank am Mopedsteiß.

Ein Leben ohne Moped war undenkbar – auch weil ich einen großen Teil meiner Kindheit auf dem Dorf verbracht habe und wie sollte ich denn zur Dorfdisko kommen, ohne mein Zweirad. Die Mode, dass Eltern besorgterweise ihre Kinder abholen, selbst nachts um 2, die war damals ja noch unbekannt. So unbekannt, wie die enorme Sorge um Leib und Leben, die ich heute spüre, wenn die Rede aufs Motorradfahren kommt.

Ein Leben ohne Moped war undenkbar – meine Familie sah das ähnlich, vor allem die Männer meiner Familie und so nahm mein Großvater eines Tages die Zeitung zur Hand, fand einen S51 Baujahr 81, schnappte sich mein Jugendweihegeld und die Schlüssel vom Trabant und am Ende des Tages hatte ich ein jägergrünes Moped. Zunächst nur für die Feld- und Waldwege, bald aber war ich 15, hatte nach gebührender Wartezeit die , wir nannten es Fläppen, bestanden, beim einzigen zivilen Fahrlehrer Schwerins, und der Garagenkomplex am Rande der Stadt, der wurde mein zweites Zuhause. Zusammen mit den anderen lebte ich zwischen Kettenfett und angebohrten Auspufftöpfen, wir probierten Rizinusöl im Zweitaktertank und freuten uns über unsere duftenden Abgase. Pubertät vom Feinsten also.

Mit der Wende verkaufte ich mein Moped an Vietnamesische Gastarbeiter, die bereiteten ihren Heimflug vor, aus dem Land, das sie nun nicht mehr brauchte, weil das Lederwarenwerk zu war und alle anderen ihrer Gastgeberbetriebe auch und ich erhielt für mein acht Jahre altes Moped den finanziellen Gegenwert einer ziemlich alten, hellblauen MZ TS 150. Ein kleines Motorrad war das mit gewaltigem Tank und ich durfte es fahren mit 16 und ich habe es geliebt. Kannte fast jede Schraube. Wusste, wie der Vergaser auseinander- und wieder zusammen zu bauen war, wie statt mit dem Zündschlüssel, die Karre sich auch mit einem Schraubenzieher starten ließ. Fast zwei Jahre waren wir gemeinsam unterwegs, dann zeigte ein entfernter Verwandter Interesse, TS 150 und ich, wir trennten uns und ich kletterte weiter auf der für mich noch ganz und gar vom DDR-Sortiment geprägten Motorrad-Karriereleiter.

Es war die Zeit, da viele die Dörfer verließen. Ein Schäfer zum Beispiel aus der Nachbarschaft verabschiedete sich nach Hamburg, wurde Gelegenheitsarbeiter auf dem Bau und seine MZ ETZ 250 sollte noch schnell zu Geld gemacht werden. Für sagenhafte 500 D-Mark kaufte ich das lange, recht obertönig tuckernde Geschoss und hatte den Motorradhimmel erreicht. Rausgeschubst wurde ich von dreisten Dieben undzwar noch bevor die „Etze“ und ich so richtig warm werden konnten miteinander. Ich habs mit Fassung getragen und den Autoführerschein gemacht.

Trabbis gabs grad günstig. 350 Mark hat meiner gekostet und er war prima: fuhr, konnte ganz toll Tom Waits abspielen und Midnight Oil und warm wars drin und trocken. Doch, um der Geschichte etwas Pathos zu verleihen, so richtig fertig waren wir nicht miteinander, die Motorradwelt und ich.

Später vertrauten mir dann und wann Freunde ihre Roller an, eine Bekannte ließ mich sogar mit ihrem chromglänzenden Motorrad auf die Straße, eine Französin, ich hatte sie bei der Zweiten Hand kennen gelernt, wir waren Kollegen, hämmerten Anzeigen in Tastaturen, die Französin hatte einen Bauwagen vor den Toren Berlins und eben auch ein chromglänzendes Motorrad, aber im Prinzip blieb ich viele Jahre den motorisierten Zweirädern fern. Bis sich unlängst Parameter änderten: 1.) Neben die vor einem Dreivierteljahr bezogene Villa sandmann haben weise Menschen eine Garage gebaut. 2.) Ich habe das Auto nur noch selten zur Verfügung, brauche aber hin und wieder auf die Schnelle ein Gefährt. Und als ich dann auch noch so ein Motorradschrauber kennen lernte, der offensichtlich nicht nur Geschäftssinn, sondern auch Herzblut in die Arbeit steckt, da zuckt auf einmal die Rechte und nun will sie Gas geben.

Die Geschichte hinter meinem zukünftigen Motorrad hat zu tun mit einem – Achtung, ich habe ein neues Wort gelernt: Scheunenfund, mit vielen Jahren Stillstand, einem Schrauber, der sich erbarmte und einer offenbar echt widerstandsfähigen Technik. Heute jedenfalls konnte ich die Kawasaki Z 750 GT zum ersten Mal hören und sie klang gut. Weil aber die Vergaser noch nicht ganz mitspielen, wars dann leider nichts mit einer Probefahrt. Mein Schrauber ist Einzelkämpfer und hat frühlingsgemäß den Hof voller Kisten. Braucht noch zwei Wochen, sagt er. Also heut: Nur hören, gucken, sitzen, schieben. Kardanwelle… mh… Sachen gibts. Luftfederung hinten… Aha.

Die Kiste ist über 20 Jahre alt, das gefällt mir. In zwei Wochen, so ist es geplant, soll sie mir zur Verfügung stehen.

Sie wird meine Tradi-Quote erhöhen, fürchte ich.