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Ein grauer Tag, Ende Oktober, der Bahnsteig ist nass und rutschig, hier am Ende der Welt. Eine Durchsage, der Zug rollt ein. Dieselmotoren trommeln, Bremsen quietschen. Die Waggons dunkelgrün und seltsambeige, die Fenster überzogen von einer Schicht Etwas, semitransparent. Deutsche Reichsbahn. Bahnhof Büchen. Von Hamburg kommend endete hier die Welt, damals im Herbst 1988. Ich bugsiere mein Fahrrad in den Gepäckwagen.

„Sie hätten Ihr Fahrrad anmelden müssen.“
„?“
„Telefonisch.“
„?“
„Bahnhof Zoo?“
„Entschuldigung, nein, nur bis Spandau.“

Das Wageninnere riecht nach Desinfektion. Spuren dürfen keine bleiben, im Transit, am Berührungspunkt der Welten.

ivalo auf Gazelle

ivalo auf Gazelle

Ein sonniger Tag, Ende Oktober. Regionalbahn Schwerin-Hamburg. Ich drücke meine Nase gegen die Scheibe, die Sonne erfüllt die Wiesen mit einem Sahnehäubchen Licht. Die Bremsen quietschen, Bahnhof Büchen.

Ich schiebe mein Fahrrad auf den Bahnsteig, ziehe Handschuhe an, setze meine Mütze auf und schalte auf Empfang. Oktober 2009. Etwa jede zweite Woche fahre ich mit der Bahn durch Büchen. Durchrauschen ist jetzt normal, zuhause bin ich, fühle ich mich hinter dem Kanal.

Der Elbe-Lübeck-Kanal ist auch mein Plan für heute. Radeln und Dosen finden.
Er muss allerdings noch kurz warten, in Büchen stehen zunächst drei Caches auf dem Plan.

An Zweien scheitere ich aber bereits, der GrenzCache?, der in einem Log als „der originellste Cache den wir bis jetzt gehoben haben“ (#140) steht, bleibt mir verborgen. Schade. Hier stehen eine Grenzboje, ein Stück Berliner Mauer und ein Grenzpfahl auf einer kleinen Wiese. Und irgendwo ist ein Cache verborgen. Für einen weiteren fehlt mir das Werkzeug, also doch erstmal die Gazelle zufrieden stellen, dann die Finderlust.

Der Kanal hat auf der einen Seite einen gut ausgebauten und bestens ausgeschilderten Radweg, Komfort der alten Republik. Es geht durch das holsteinische Flachland. Die Äcker sind umgepflügt und auf den Wiesen liegen die Schwarz-Bunten und käuen genüsslich wieder. Überall begleitet mich das Schnattern von Gänseschwärmen, die scheinbar aus allen Richtungen kommen und in alle Richtungen fliegen. Dabei wird doch dauernd der toller Navigationssinn der Zugvögel gepriesen. Ich vertraue auf meine Navstars. An der nächsten Wiese bin ich baff: 2500 Gänse! Mindestens. Irre!

Gänse Marsch!

Gänse Marsch!

Entlang des Kanals liegen einige Caches, dazwischen immer zwei bis drei Kilometer zum gemütlichen Radeln und mich auf die nächste Dose freuen. Hübsche, ordentlich adrette Dörfchen, allesamt mit „Schönes Dorf 199x“ ausgezeichnet werden im Vorbeicachen bewundert.
Der Kanal führt mich bis Mölln. Hier habe ich bereits 30 Kilometer in den Beinen, die allerdings aufgrund der geraden Strecke abseits vom Autoverkehr sehr entspannt und angenehm zu fahren sind. Mittagspause. Ganz schön was los heute, in dem beschaulichen Städtchen. Eulenspiegelmarkt oder vielleicht schon Weihnachtsmarkt. Trotz der vielen Passanten schnappe ich mir, mit einem guten Spoiler ausgestattet, einen urbanen Nano zwischen den Würstchenbuden. Pommes mit Majo und noch einen Stadtcache, dann weiter.

Elbe-Lübeck-Kanal

Elbe-Lübeck-Kanal

Ziel meiner Tour ist Ratzeburg, nicht zufällig, sondern wegen der hohen Cachedichte. Und wegen der Serie „Living in Springfield“ von KatrinundGerwin. Für einen Simpsons-Fan Pflicht.
Die Strecke von Mölln nach Ratzeburg geht durch Wald, bergauf, bergab. Es ist früher Nachmittag und die Sonne kommt gerade noch über die Baumwipfel.
Direkt außerhalb von Mölln gehe ich noch zwei Caches an. Einer liegt im Wald, 100 Meter vom Fahrradparkplatz entfernt. Ich laufe steil hinauf durch tiefes Laub. Der ist weg. Zumindest hat er 4 DNFs in Folge, was ich leider erst hier feststelle. Ich finde ein einsames Stück Tarnrinde in einem Astloch. Ich fluche laut und stapfe zurück. Also Owner gibt’s!
Der nächste ist der einzige Multi meiner Tour und eindeutig das Highlight. Eine wunderschöne Stelle im Wald, eine Lichtung mit gelbem Laubteppich, an der vier Denkmäler stehen. Natürlich mit einer Rätselfrage dazu. Der Schatz ist riesengroß. Hier ist Gnumpfpossenland.

GN_denk4mal

GN_denk4mal

Aber auch Bernd-B-Land. Wenn die Cachenamen Baumwurzel, Waldkreuzung oder Wegesrand lauten, sind die Dosen Vanillejoghurtbecher oder lehmige Senfgläser mit feuchten, vollen Logzetteln. Dafür sind es „Klassiker“ also z.B. GCMH30 und so auch einen kleinen Umweg oder einen Hügel Wert.
Hügel. Es gibt in Schleswig-Holstein echte Almwiesen. Cool.

Holsteinische Almwiese

Holsteinische Almwiese

Endlich: Ratzeburg in Sicht.
Mein erster Cache in Ratzeburg ist auch der erste „Living in Springfield“. 847,63$. So viel kostet Maggie im Vorspann der Serie, als sie von einer Supermarktkasse eingescannt wird.
Ich merke, dass die Caches aus dieser Serie wohl relativ einfache, klassisch versteckte Tradis sind, aber die Verpackung ist wirklich klasse. Das Auge cacht mit. Es folgen noch 5 weitere Simpsons-Dosen und zwei Caches, die mir Ratzeburg, die Stadt an den vielen Seen, zeigen. Sehr hübsch, finde ich sofort und fühle mich ein wenig heimisch.
Der zentrale Platz am Rathaus heißt Demolierung. Aha. Ich fühle mich nochmal heimisch, so wie damals in Kreuzberg 36.
Noch eine kurze Runde durch die Stadt, dann wird es dunkel. Eine gemütliche Pizzeria vor der Heimfahrt, nicht zu fein, wegen Guerillalook, das wäre meine Erfüllung. Nö, is nicht. In Bahnhofsnähe finde ich ein Bäckereicafé, in dem die Mozzarellabaguettes des Nachmittags noch nicht zu verwelkt aussehen. Dann geht es heim.

60 Kilometer, 24 Funde, 9 Stunden unterwegs.
24 Funde ist mein persönlicher Tagesrekord. Jetzt ist die 1000 in Sich!
Leider hatte ich auch 5 DNFs, 3 davon bei vermutlich recht interessanten Caches.
Bitte um ganz vage Andeutungen in Mails für: GrenzCache?, Freibad Siebeneichen und Auf dem Lande. 😉

Ein zweiter Besuch in Ratzeburg wird sich sicherlich lohnen, nicht nur, weil noch einige Springfields übrig sind. Tobis Morgenrunde z.B. hatte ich auch auf dem Plan und bin so weit gar nicht erst gekommen. Das Umland liegt voll. Von Zarrentin aus ist die Cachedichte ebenfalls sehr hoch und die Landschaft reizt zum Radeln.
Ich hoffe auf einen schönen Tag im November.