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Ein Dosenfischer in Amerika

Uiuiuiui, dann stand es also fest, die Reise ging nach Amerika, USA. Die Heimat des Geocaching, ins große Land, wo alles begann, damals, an der Westküste vor zehn Jahren mit dem GC1 (äh: GCF, sorry), dem Urvater aller Dosen, dem Grandfather, wenn man so will, der A no. 1, Top of the Hill, King of the Road. America, it’s up to you!

Da war klar: das gibt Punkte, das 161-Meter-, 1/10-Meilen-Raster in dem die Dosen dort ja bekanntlich liegen, wollte ich abgrasen, im Vorbeigehen einsammeln, loggen und weiter. Das Land der unbegrenzten Sammelmöglichkeiten. Endlich mal wieder nach monatelangem Stillstand.

Das Ziel hieß Charlotte, North Carolina. Man höre und staune, gelegen im Mecklenburg-County im Südosten der Vereinigten Staaten. Es war glückliche Fügung, ich durfte mit den Arbeitskollegen zum Film Festival reisen.

Ende September ging die Reise los. 18 Stunden nachdem wir Schwerin verlassen hatte, lag ich in meinem Hotelzimmer in einem schicken King-Size-Bett und hätte 257 TV-Kanäle durchzappen können und tat es nicht. Eigentlich waren auch erst 12 Stunden vergangen, dank Eastern Standard Time. Dazwischen ein Inlands- und ein Interkontinentalflug, einige Tonnen CO2 in die Atmosphäre gepustet, meine ehrlichen Antworten beim Check-In: „Nein, ich hab echt nichts Böses vor, will tatsächlich auch wieder zurück und alles in meinem Koffer gehört mir selbst und ich habe es alleine eingepackt und nie aus den Augen gelassen!“ und überraschenderweise echt unfreundliches American Airways Bordpersonal: „Wenn ich Ihnen auf diese Frage Auskunft geben könnte, würde ich doppelt so viel verdienen“ – von wegen amerikanische Servicefreundlichkeit.

Untergebracht waren wir in so einem schönen Wolkenkratzerdingens in Downtown Charlotte, Bank of America Building, wenn schon dann richtig! Mittenmang sollte wohl nichts schiefgehen, mit dem Dosenfischen.

Aber Geduld, nicht gleich am ersten Abend, erstmal die ganzen Bagelshops ausprobieren. Und ein ordentliches Bier suchen. Hier war zwar alles German oder Oktoberfest oder sogar Kolsch Style, erinnerte aber nur ein wenig an das leckere Bier daheim. Schmeckte fast alles nach Weißbierschorle. Dafür war überall, wo es gemütlich hätte sein können die Musik deutlich zu laut. Laute Musik im Epicentre, dem Kneipen-, Fastfood- und Kinoblock direkt nebenan, laute Musik auf den Straßen und laute Musik in den Pubs, drinnen mit Livemusik. Auf der Bühne stand so ein armer Sologuitarrero und spielte Paul Simon Style und in allen Nieschen kam es aus den Boxen, kaum dass man sich unerhalten konnte geschweige denn der Kellnerin mit dem neckischen Südstaatenslang klarmachen, was man will. Man konnte auch Baseball schauen auf einem der Monitore an der Wand. Oder Football auf einem anderen oder Werbung oder Börsenkurse oder NASCAR-Rennen oder Werbung oder Wetterbericht. Und das Raumklima! Draußen 93°, drinnen 65°, Fahrenheit. Also über 34°C draußen (Ende September! Lucky Südstaat) oder 19°C drinnen. Der Wetterbericht scheint so irrelevant, wie das Wetter, das auf Knopfdruck hört. Draußen ist man eh kaum. Tatsache, ich war in Amerika, Klischee hin oder her, es war wie es zu sein hat. Artifical, I would say, nice and fresh, they would.

Am ersten Tag gehörte die Freizeit noch den Kollegen, Indianermuseum, Einkaufsmall, aber bald schon juckte es in meinem Sattelitenempfänger. Genug gesehen, Pocketquery gezogen, Dosen rüberladen, das map60 anschmeißen, und mal sehen, wie sich 80° West anfühlen. Wie sich 34° Nord anfühlen wusste ich noch, war ja jüngst auf Kreta.

Okay. Okay. Wow! Okay. Also, die Schwankung! Das ist ja sensationell, hier in der Schlucht zwischen Bank of America Tower und Hilton Hotel. 30 Meter Entfernung, dann mal 3 Meter, dann wieder 40. Uiuiuiui. Wie war das gleich, gab’s hier einen Hint? Und wie versteckt man denn so hier? LPC? No lamp post around, hm! Und wie findet man unter all den Passanten hier etwas? Und zwar stealth, wie alle Listings vorschlagen. Und da so ein Security-Mensch. Der schaut schon. Und am Flughafen musste ich versprechen, mich nicht auffällig oder verdächtig zu verhalten. Plötzlich war ich beides! Gibt es Guantanamo eigentlich noch? Uuuuuuuunauffäääällig weiter, puh, schnell weg!

Ich merke, es bedarf einer besseren Vorbereitung. Hausaufgaben machen. Hints lesen, Logs auswerten. „Came in the morning“, „Waited quite a while“, „Advanced stealth mode needed“, aber auch: „abacadabra and you have it“. Das ist meiner! Juhu. Unter einem Tisch an einem Brunnen, es steht dabei an welchem der sieben Tische und es geht zauberleicht. Tageszeitung kaufen, ausbreiten. Rucksack mitnehmen. Sitzen und lesen, den Wachmann freundlich grüßen. Fotografieren. Im Rucksack wühlen, aber noch nicht auffällig. Cool, der Wachmann ist jetzt mein Freund. Freundlich sind sie ja, die Amis, Amigos, wie auch immer. „How are you, sir?“ „Fine, thank you.“ „Great sir, have a nice day!“

So, jetzt mal ernsthaft im Rucksack unterm Tisch wühlen und: abacadabra, der Länderpunkt ist meiner! Auch wenn das map60 33 Meter zeigt. USA ist rot! You found 1 cache in 1 state! Far, far away from home, 4391 miles from home genau gesagt, (7067 km), cool man! High five! GC13ZBD, „Pink Granite Treasure“ by georgia2maine!

abacadabra

Der Bann ist gebrochen! Auf zum nächsten.

Okay, ein Park, hier schwanken ebenfalls die Koordinaten, hier soll was hängen: „Six feet up“. Aha. wie hoch mag das sein. Da hingen in den Parkhäusern immer so Balken, Durchfahrthöhe six feet nochwas. Also eher so Fahrzeughöhe oder etwas über Kopfhöhe. Ausdrückliches Lob des metrischen Systems. Hat mich in der Uni schon immer wahnsinnig gemacht. „Hat wer die Inch-Inbusschlüssel gesehen??“, „Nö, frag mal den, oder den, oder …“. Also Höhe schätzen, Wachmänner beobachten, Passanten anlächeln, hinter Büschen in einem Park herumschleichen, den Suchradius vergrößern und, …, letzlich aufgeben. Es gibt ja noch so viele. 181 Meter weiter zum Beispiel, auf einem freien Parkplatz ein Rohr suchen, das wie ein Gerät getarnt ist. Okay, da sitzen Alkies an der Bushalte, okay, okay, da gehen Menschen zu ihren Autos. Die schaun, wer da so um ihre Autos schleicht, okay, was könnte denn schwarz und ein Gerät sein? Könnte equipment auch einen Zaun meinen, da sind so schwarze Sockel auf den Zaunlatten. Hm. Nicht, locker, nicht locker, nicht locker, ui, da schaut einer, schnell die Kamera gezückt, soll ein „small“ sein, passt ja gar nicht in den Zaunpfahl, hmpf! 34° und ich schleiche in der prallen Sonne auf einem großen Parkplatz umher, Celsius. Suchradius erweitern. Das Park-O-Meter hat 25 Meter Abstand zu den Koordinaten, der Zaun 10 Meter schwankend. Da ein Baum, schon 30 Meter, die Rohre da 50. Zählt das noch? Hier ist nichts Schwarzes, Mist, doch noch mal Logs lesen.

Oder gleich zum „Grand Disco“ gehen, auf dem Charlotte Square. Superzentral. Samstag Mittag: Markt, Samstag Abend spielt „The Black Kelly Family“ direkt daneben aus 10 Trompeten Ska, sehr cool, aber gerade fürs Finden sehr hinderlich, Samstag Nacht tanzen Footballfans auf dem Platz, ich glaube es war die Auswärtsmannschaft, die Grund zum Feiern hatte und deren Anhänger am nächsten Morgen auch den Beagle-Shop belagern werden. Ja, jetzt endlich, da schaut nur ein Homeless-People von der Bank. Soll er. Ich fotografiere den Grand Disco, eine Doppelscheibe Kunst, 3,50 Meter hoch, also bestimmt 10 Fuß. Ich weiß, dass in der Westscheibe auf 8 o‘ clock hinter drei Stahlzähnen das liegt, was ich will. Und dass Sleuther, wrenski, MuensterLover und Peasinapod es in den Händen hatten, wenn auch nach „Spent some time“ und wahrscheinlich „early morning“. Hab ich so dicke Finger, oder warum wackelt es nur und fällt nicht?! Ich komm später noch mal vorbei, und morgen nochmal und irgendwann ist es mir echt shit-who-cares?!

Noch den an der Stadtbibliothek? Gesperrt von der Feuerwehr, okay, belagert von telefonierenden Businesspoeple, okay, drei Sheriffs auf dem Mountainbike, okay, so, jetzt. Was könnte bloß T.I.C.O. heißen. Hab ich überhaupt decryptet. Wie hieße es sonst? Wo versteckt man überhaupt hier so? O-oh! „Found today 32 in Charlotte downtown“ lese ich irgendwo und werde echt neidisch. Und versuche mich in Zenmeditation, die ich gerade für den besten Weg zur Genügsamkeit halte. Und gehe und hole mir einen Bagel, Multi-Grain-Style mit Veggie-Garden-Creme-Cheese. Toasted, aber bitte! Und einen regular Coffee latté, regular milk, no sugar, no flavor.

Lieber gleich ein schönes kaltes frisch Gezapftes von der Old Mecklenburg Brewery und zwar ein echtes Mecktoberfest style. Darüber wunder ich mich gar nicht erst. Was zählen in diesem großen Land schon 608 km zwischen Mecklenburg und Oktoberfest. Das sind sogar nur 380 miles. Fern der Heimat fühle ich mich föderativ und mache auch dieses Klischee mit, im Land von Lance Armstrong, Groundspeak und Gold-Kati-Witt.

Juhu, mein Länderpunkt

So egal mir die restlichen DNFs im vermeintlichen Cacherparadies auch waren, so sehr betrübt mich die maue Ausbeute zu Hause. Doch ein wenig hartnäckiger? Doch mal echt früh aufstehen? Doch die Kollegen einweihen und um Zwischenstopps am Highway bitten? Selbst South Carolina wäre eigentlich nur um die Ecke gewesen!

Irgendwann, da plane ich noch mal einen zwei Wochen Road Trip und werde 20 Staaten einfärben. Yes! Mit nem echten Geocacherkollegen zusammen! Und dann alle 161 Meter anhalten, an den leitplankenlosen Highways!  Irgendwann!

Anyway, GC13ZBD, „Pink Granite Treasure“ ist jetzt mein am weitesten entfernter, mein westlichster und auch mein südlichster Fund, hat Kreta doch um ein paar Stellen hinter dem Komma unterboten.
… und man muss sich ja auch noch ereichbare Ziele offen lassen.