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Die Neue

Der März ist nah

…und die alte Dame will auf die Straße. Asphalt soll unter die Räder, Frühlingsluft in die Kühlrippen, frischer Sprit in Tank und Düsen. Doch das wird nichts. Als Pflegefall wartet die Zickige in einer dunklen Garage darauf, vom Schrauber mit den Goldhänden behandelt zu werden. Doch ob das in absehbarer Zeit gelingt ist fraglich, schließlich haben Schrauber ab Februar keine freie Minute, erst recht nicht für wenig lukrative Projekte. Und zu so einem ist die Kawasaki geworden. Sie hat Konkurrenz bekommen und ich, ich bin ein rollendes Klischee. Doch von vorn.

Alltagsmaschine

Seit Juni 2013

…gehört mir wieder ein Motorrad. Eine Kawasaki Z 750 GT – vier Zylinder, vier Vergaser, Kardan-Antrieb, knapp 80 PS und 250 Kilogramm Kampfgewicht. Gemeinsam sind wir 13 Saison-Monate lang durch den Norden gerollt, haben uns Brandenburg und Sachsen-Anhalt angeguckt und auch auf Berliner Straßen haben wir das eine oder andere Tröpfchen Öl gelassen. Rund 30.000 Kilometer sind zusammen gekommen – eine echte Alltagsmaschine eben.

Von Beginn an gab es da ein Problem mit der Vergaserphalanx: Wann immer sich der Drehzahlmesser aus luftigen Höhen dem Standgas zuneigte, ging die alte Dame aus. Das ließ sich zwar mit einer nervösen Gashand vermeiden, ich bin da ziemlich leidensfähig, aber schön war es nicht. Und besonders unschön wurde es, als in einer Kurve das Hinterrad ob des abgestorbenen Motors blockierte und ich fast in die Büsche gerauscht wäre. Über Land ging es zwar noch ganz anständig, doch Stadtfahrten waren nahezu unmöglich – kleinere Schraubereien unter Einsatz der Goldhände brachten keinen Erfolg.

Der Liebsten blieben diese Macken nicht verborgen, sie machte ein gewisses Gefahrenpotenzial aus und die Sorgenfalten auf ihrer Stirn wurden tiefer und tiefer, je länger ich mit der Kawasaki unterwegs war. Schon im vergangenen Sommer gab es ein prinzipielles, ein leicht drängendes OK für eine Neuanschaffung. Allein, es fehlte an Geld.

Die Parameter waren klar: zuverlässig, alltagstauglich, flink und kräftig sollte die neue sein, eher mehr Hubraum, als die alte Dame besitzen und: Kardan hatte sich bewährt.

Ein äußerst liebgewordener Bruder im Zweiradgeiste redete mir just zu dieser Zeit die drei Buchstaben ins Hirn – eine alte BMW, so eine GS Adventure Dakar, so sprach er, sollte doch genau meinen Ansprüchen genügen. Ich blieb skeptisch, aber die drei Buchstaben waren einmal in der Welt.

Als aber ein ebenso liebgewordener Bruder – dieser hier im Geocaching-Geiste – seine BMW F 650 GS aus dem Jahr 2000 ins Spiel brachte, zu einem Preis, der sich vor potenziellen Geldgebern noch gerade so hätte rechtfertigen lassen, lehnte ich noch großkotzig ab – zu klein, zu wenig Hubraum, kein Kardan-Antrieb, kein Boxermotor.

Frustbewältigung

In den kommenden Wochen

…erzeugte ich ganz allein den gesamten Traffic auf den Seiten der Gebrauchtwagenbörsen. Und ich stellte ernüchtert fest, dass einerseits „kein Geld“ keine gute Grundlage für eine Neuanschaffung ist und andererseits Zweiräder mit drei Buchstaben im Wert recht stabil bleiben. Aus Frust hab ich mich leihweise auf eine nagelneue KTM 1190 Adventure gesetzt und auf eine BMW GS 1200 Adventure neueren Baujahrs. War wunderschön. Und absolut unbezahlbar. Und auf dem Gebrauchtmarkt im Netz blieben selbst alte GS-Modelle mit Boxermotor finanziell außerhalb jeder Reichweite.

Frühling im Februar

Wo ein Wille ist,

…ist auch ein Gebüsch, singt Element of Crime. Man muss eben nur seine Ansprüche anpassen. Und manchmal führt das zu überraschenden Erkenntnissen. Ich jedenfalls fahre jetzt auf einer 15 Jahre alten BMW F 650 GS durch die Landschaft. Ein einsamer Zylinder nur ist ihr eigen, der bleibt mit 650ccm in Sachen Hubraum doch etwas hinter der alten Kawasaki zurück, schlappe 50 PS stehen in der Zulassung, Antrieb läuft via Kette statt wie gewünscht über eine Kardanwelle. Und viel mehr als 140 km/h sind auch nicht drin. Achja… die 650er GS wird Kälbchen genannt und oft und gern von Damen gefahren.

Dennoch sitze ich, der ich in Ausmaßen und Gewicht eher einem ausgewachsenen Rindvieh ähnlich bin, auf meinem Kälbchen und fühle mich ganz wohl dabei. Nur den Damensattel hab ich ausgetauscht.

Wenn es auch keine ausdrückliche Liebesheirat war, so ist es doch viel mehr als eine Notlösung. Auf der Haben-Seite nämlich finden sich recht angenehme Eigenschaften: die Kleine ist vergleichsweise leicht und bislang absolut zuverlässig, ist extrem einfach zu fahren und der einsame Zylinder liefert mehr Druck, als ich zu hoffen gewagt hätte. Die Spritkosten haben sich nahezu halbiert. Und auf einmal sind halbwegs brauchbare Feldwege ein Genuss und es geht weniger um Geschwindigkeit, als vielmehr um den Spaß am Entdecken der Strecken abseits üblicher Routen. Und fürs Überholen auf Landstraßen bleibt genug Reserve.

Unterwegs zum Südsee

Dennoch wäre es schön,

…auch die alte Dame wieder auf die Straße zu bekommen. Mein erstes Nachwende-Motorrad… Der Kawasaki-Klassiker wäre ein guter Kontrast zur BMW, die mich mit ihrem Image als „Funduro“ zu einem rollenden Klischee macht: Ein runder Mann mittleren Alters fährt alltags mit einer nur scheinbar offroad-tauglichen BMW, die eigentlich jüngere Leute fahren sollten, die aber auf deutlich günstigere Modelle setzen, weil diese leichter und/oder kompromissloser sind. Fehlt nur noch der Klapphelm. Puh.

Ach, eins noch: damit es auch langfristig nicht langweilig wird und dank des selbstlosen Einsatzes eines sehr guten Menschen, bin ich nun auch noch Besitzer eines DDR-Motorollers, eines SR50 Baujahr 88. Erst wird er ein Projekt, später dann, so hoffe ich, ein Spielzeug fürs Kind.