Seite auswählen
Dosenfischen in Ulm

Dosenfischen in Ulm

Wie im vergangenen Jahr poste ich ausnahmsweise ein Log auch hier. Weil es auch hierher gehört, finde ich.

Sonnabend, die letzten fünfzehn Minuten des Konzerts, das Licht flackert, der Boden, er scheint zu vibrieren, Leuchtpunkte schweben durchs Schwarz der Arena, jedes Atmen drückt sich hundertfach verstärkt aus den Boxen über die Hügel des Forts. Die Hände zittern, der Hals ist trocken, kalter Schweiß läuft in die Augen und lässt die Welt verschwimmen. Weiter unten im Bauch aber, da wird es auf einmal ganz warm. Alles ist gut.

Am Abend zuvor schläft das Teletubbie-Land Ulm einen sanften Schlummer. Hinter den orangen Maschen glotzt Paul, der Esel, und wagt sich nicht an die Weidezäune heran, gedämpft rasselt die Dosenfischer-Olympiade-Leitplanken-Station im Testbetrieb und mitten im Trichter hebt sich eine Bühne mit auffällig gelben Brettern aus dem Grün.

Wir haben uns hier am Fort begrüßt wie alte Bekannte kurz zuvor, ich kann nur hoffen keinen vergessen, keinen verprellt zu haben, dann sind wir zusammen auf Fort-Tour gegangen und jetzt ist alles wie Weihnachten. Diese Bühne ist das Geschenk und morgen wird ausgepackt.

Wir haben eine eigene Wagenburg. Mit Fortblick, Chill-out-Lounge und eigener Wildbienen-Versuchsimkerei (letzteres ist ein Insider). Was für ein charaktervolles Camp und was für ein Luxus hier im Fort, in dem nächtens das Schnarchen von Isomatten durch die Gänge raunt. Die Familie ist hin und weg, vom abendlichen Vorfeuer, vom Areal voller Geheimnis und der unkomplizierten, überaus freundlichen Art aller, die es uns so leicht macht, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Den Morgen retten uns Kai und Frauke mit Frühstück und warmen Duschen, mit Shuttle-Service und Brötchen unter einem Ulmer Himmel, der fast schon entschieden scheint, den Plänen der Ulmer ganz und gar zu entsprechen. Und dann geht es los, dann kommen sie, die mit den derben Hosen, die mit den roten Shirts und den Hüten, die mit den Taschen am Gürtel, die mit den Angelwesten und dem Klettergeraffel, die mit den Multitools und den elektronischen Spielzeugen, die haben Freunde, Brüder, Schwestern und Kinder dabei und manche plauschen sich gar in drei Generationen über Rasen und Wege. Sie alle schlendern, gucken, kaufen, fischen, werfen, fangen, lauschen, sie lachen sich an und aus und warten geduldig und wetteifern voller Ehrgeiz und beim Durchsehen der Logs fällt mir erst auf, wie viele von ihnen ich gern noch persönlich gesprochen hätte.

Nach zwei Runden durchs Fort aber verordne ich mir Ruhe – sooo gern wäre ich jetzt eine Punkband, den ganzen Tag wildes Leben und abends auf der Bühne eine grandiose Show bieten… aber das trau ich mir nicht zu. Das Alter, Ihr wisst schon. Die Stimme. Tralalala… Sänger sind sensibel.

aba ist ruhig und Carsten bleibt gelassen und Christian staunt nur über diese Geocacher und wirft nebenbei fünf Dosen vom Bierkasten auf der Rollbahn an die Leitplanken.

Als ich um 16 Uhr die Bühne voller Technik sehe, bricht mir fast das Herz. Der Anblick war zwar nicht völlig fremd, bisher allerdings gabs ihn stets nur von der anderen Seite, von so einem Batzen feinsten Spielzeugs hab ich vielleicht mal geträumt, aber das war sicher im Rausch. Und nun steht das alles da und wir dürfen damit spielen. Das ist wie der Blick durchs Schlüsselloch in die Weihnachtsstube, die Kerzen brennen, im Geschenkpapier zeichnet sich die Autorennbahn ab und nun beginnt das Warten auf die Bescherung.

Die Bescherung ist: hunderte Lippen, die jede Zeile mitformen. Die Bescherung ist: große offene Augen mit lustigen Lachfalten, ist Kinder direkt am Bühnenrand mit dem Finger an der Nebelmaschine, das Johlen der wilden Bande vom Höllentrip ebenso wie die kräftige Antwort derer, die „Groupie“ auf ihrer Brust tragen. Die Bescherung ist: unvergessliche, unvergleichliche 90 Minuten auf der Bühne, der perfekte Sonnenuntergang hinter uns, die Feuer, Dennis und seine Liebste, Herr und Frau Dickichtducker, Erich und sein schelmischer Blick um die Bühnenflanke, die verlorene Beherrschung beim „Nachtcacher“, das Feuerwerk und die fantastische Feuershow am Schluss. Gänsehaut in Ulm. Rundum Gänsehaut und innen drin ein ganz und gar warmes Gefühl.

Bruch————>
Vom ersten Moment in Ulm an habe ich es so empfunden, das mir hier ein Geschenk gemacht wird. (Das ist so persönlich, das will ich nicht einfach auch auf aba und Carsten und Christian münzen, vermute aber, dass es ihnen ähnlich ging.) Die Ulmer haben einen roten Teppich ausgerollt, und zwar einen fliegenden und nun darf ich drauf rumlaufen. So in etwa… Und, das war für mich klar: Nun ist es an mir, den Abend so über die Bühne zu bringen, dass auch sie sagen: Ja, der Aufwand hat sich gelohnt – das war ein großer Abschluss eines großen Tages. Was für ein Berg Verantwortung… Und das war letztendlich Grund aller Aufregung, aller Nervosität, allen Herzklopfens.
<------------Bruch Der Abend danach beginnt oben bei theped, der packt unsere T-Shirts zusammen und Sepp&Berta, die noch einige CDs dabei haben. So viele kleine, so viele große Leute reichen ihre Silberscheiben über den Tresen zur Unterschrift und jeder hat noch ein gutes Wort dabei. Gelassen, freundlich, fast unmerklich wie schon den ganzen Tag über werkeln die Ulmer unterdessen den Gästen einen wundervollen Restabend zurecht. Neben den Feuern liegen Holzstapel bereit, zwischen Bar und den Biertischen davor rasen Radlader und Traktor so präzise durch die Massen, dass es eine Freude ist, es entstehen so wundervolle Runden und alles hätte ewig so weiter gehen können. Geht es auch. Vielleicht nicht ewig, aber doch lange und genussvoll. Oben am Feuer. Ich hab aba und Carsten an meiner Seite und galadhdil und Armin erzählt unglaublich irre Geschichten vom Bühnenbau. Später gibt es noch Bockwurst kalt oder verbrannt je nach Möglichkeit und Vorliebe, das Kaltgetränk vom Catering auf der Bühne macht wach und dann fangen die Vögel an. Einsatz bitte. Erst leise, verhalten zwitschernd, dann kräftig pfeifend, dann jubilieren sie dem Tag entgegen, der sich hinter dem Uni-Fluglotsentower ins Fort hinauf schiebt wie ein langsam gehobener Vorhang. Schließlich lauschen wir noch einmal dem Schnarchen in den Gängen und dann endlich kehrt das Herz zur Normalgeschwindigkeit zurück. Augen zu. Scheinwerfer flackern an. Bis das Hirn endgültig Adieu sagt. Am Morgen findet unser Schlagwerker Christian tatsächlich aus dem Wagen zu seinem Tourbus nach Greifswald - vielen, vielen Dank noch einmal in Richtung Magdeburg und Nord-Vorpommern - unser Schlagwerker wird an diesem Abend schon beim Landesjugendorchester hinter den Pauken sitzen und proben: in Greifswald. Frauke hat uns Kaffee gekocht, Kai hat Frühstück für uns und später dürfen wir uns noch für ein paar Fotos mit den frisch Verlobten ins Fort setzen. In dem im Übrigen seit den Morgenstunden gearbeitet wird... Kurz vor der Abfahrt gibt es noch einen ganz intensiven Moment. Alle, die die Mittagszeit im Fort erleben, kommen zusammen, alle Ulmer, die Dosenfischer-Familien und Freunde und plötzlich sind wir eine Riesenfotorunde vor großer Technik, vor den Mauern des Forts und den wackeligen Treppen und Kai hat die Kamera ausgerichtet und noch einmal machen wir alle etwas gemeinsam. Wir lachen der Linse entgegen - der eine mehr, der andere weniger, je nach Eitelkeit und Erschöpfungsgrad. Die Leuchtpunkte, das Flackern, die entspannten, die lachenden, die konzentrierten Gesichter, all das ist mittlerweile überall im Netz gelandet. Und wir wissen ja, das Netz vergisst nicht. Was dieses Wochenende in Ulm betrifft, wird es mir ebenso gehen. Mir fehlen nun ein bisschen die Superlative und selbst die Poesie versagt hier am Schluss. Alles ist gut. Vielleicht ist das ein Zeichen, es auch hier, im Log, gut sein zu lassen. Letztlich ist ja dies: Danke! der sandmann