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Die Grillen zirpen. Es ist 11.43 Uhr. Wir kommen gerade vom Begrüßungstreffen. Mit den wichtigsten Informationen scheinen wir versorgt zu sein. Die Sonne steht hoch. Nur mit Sonnenbrille kann man im Meer den Krater der Vulkaninsel Nisyros gut erkennen. Das GPSr zeigt 8,5 km bis zum nächsten Cache. Bis zum übernächsten sind es 10,6 km in fast derselben Richtung. Na, da wissen wir, was wir an unseren ersten Urlaubstag auf Kos, einer kleinen griechischen Insel nur etwa vier Kilometer vor der türkischen Mittelmeerküste gelegen, machen. An der Rezeption unseres Hotels hatten wir erfahren, dass es unkompliziert ist, sich ein Fahrrad auszuleihen. „Acht Kilometer ist doch nicht weit.“ „Wir haben doch den ganzen Tag Zeit.“ Also entscheiden wir uns gegen das Fahrrad und machen uns zu Fuß auf den Weg.

Es geht entlang des schmalen Sandstrandes, an dem immer wieder Betonplatten liegen. Wie wir später erfuhren, wurden die dort nicht von Menschen platziert. Auch ist es kein Beton, sondern vulkanisches Gestein vom letzen großen Ausbruch auf Nisyros vor etwa 18 000 Jahren, der Kos seine heutige Gestalt gab. Eine angenehme Brise weht vom Meer, die die 30°C erträglich machen. Links der Straße stehen verfallene Tavernen und wilde Kakteen, die gerade Früchte tragen.

Nach etwa einem Kilometer erreichen wir Kardamena, eine von vorrangig britischen Touristen bevölkerten Kleinstadt mit engen Gassen, Geschäften, Tavernen und einem Yachthafen. Wenn man sich die Touristen mal wegdenkt, könnte es ein typischer griechischer Ort sein. Zumindest scheint es sich nicht um eine künstlich angelegte „Bettenburg“ zu handeln. Auch wir lassen uns vom Flair der kleinen Geschäfte in den schattigen Gassen einfangen und bummeln ein wenig.

Kardamena liegt bald hinter uns. Wir sind jetzt allein auf der Straße, die immer noch entlang des Strandes führt, auf dem wir jetzt verlassene Bunker finden. Nur noch 4 km bis zum ersten Cache. Über die Hälfte der Strecke ist geschafft. Vor uns liegt eine Bergkette. Da wir keine Karte von Kos auf unserem GPSr haben, können wir nur hoffen, dass sich der Cache vor den Bergen befindet. An einer Bar, die mitten im Nichts steht, aber dennoch gut besucht ist, fragen wir nach dem Weg. „Nach Palio Pyli? Zu Fuß?“ Der Barmann lacht. „Das ist weit!“ Na, soweit wird es schon nicht sein. Wie sich herausstellt, sind wir in einer Sackgasse. Freundlich erklärt er uns den richtigen Weg, der sich jetzt vom Strand entfernt und schnurgerade auf die Bergkette zuführt. Wir ahnen schlimmes.

Ein LKW überholt uns. Wir schauen ihm auf der geraden Straße nach, wo sie uns wohl hinführen wird. Nach einigen Minuten Fahrt verschwindet der LKW um nach kurzer Zeit wieder aufzutauchen. Er beginnt sich langsam auf Serpentinen den Berg hoch zu schlängeln. Irgendwann ist er dann endgültig verschwunden. Gut, es geht also die Berge hoch. Aber so schnell wie er verschwunden ist, kann der Weg dann doch nicht all zu lang sein, motivieren wir uns.

Es dauert noch ein bisschen bis wir die erste Kurve erreichen, die jetzt nach oben führt. Nur noch 3,2 km Luftlinie bis nach Alt Pyli, was Palio Pyli bedeutet. Aus der Cachebeschreibung haben wir erfahren, dass Kos immer wieder von Piraten heimgesucht wurde, was dazu führte, dass die Menschen sich von den Küsten in die Berge zurückzogen. Alt Pyli war vom Meer aus nicht zusehen. So konnten die Menschen dort unbehelligt leben. 1830 wütete in dem Dorf aber eine Choleraepidemie, der viele Menschen zum Opfer fielen. Die Überlebenden verließen das Dorf und gründeten letztlich ein neues Pyli, welches heute einfach Pyli heißt. Das alte Pyli wurde zu einem Geisterort. Heute findet man dort nur noch Ruinen. OK, wir wissen, dass Alt Pyli in den Bergen liegt, aber doch sicher im Süden, auf unserer Seite der Bergkette.

Auch wenn wir jetzt doch ein ganzes Stück vom Meer entfernt sind, kühlt der Wind uns immer noch sehr angenehm. Zum Zirpen der Grillen gesellt sich jetzt das Leuten von Glocken, die die Bergziegen um den Hals tragen. Wir blicken von hier oben zurück und sind nicht nur vom wunderschönen Blick über die Insel, das Meer, den Zypressen beeindruckt, sondern auch vom Weg, den wir bereits zurückgelegt haben. Wir sind froh, dass wir uns gegen das Fahrrad entschieden hatten. Hier auf den Serpentinen hätten wir ganz schön strampeln müssen.

Nach insgesamt 2:46 h hatten wir dann den (vorläufig) höchsten Punkt auf unseren Weg um die Bergkette mit 210 m erreicht, von dem man auf beide Seiten der Insel blicken konnte. Jetzt ging es (erst einmal) bergab. Schade, dass wir uns gegen die Räder entschieden hatten.

Auf der anderen Seite des Berges und zu seinen Füßen war jetzt Pyli zu sehen, was sich von einem Bauerndorf zu einer vom Massentourismus verschonten Kleinstadt gemausert hat. So richtige Lust hatten wir jedoch nicht soweit hinab zusteigen, weil der Zeiger immer nach rechts und nicht gerade aus wies. Jeden Meter, den wir hier hinab steigen, müssen wir doppelt hinaufsteigen. Wir suchten unentwegt nach Abkürzungen, die sich aber immer wieder als Sackgassen herausstellten. Es half nichts, wir müssen durch Pyli und auf 50 m hinab. Das „müssen“ bezieht sich jedoch nur auf die Wegstrecke, denn der Ort selbst war den „Umweg“ wehrt.

Endlich, wir scheinen auf der Zielgeraden zu sein. Der Zeiger zeigt wieder nach vorn. Nur noch 3,2 km. So dicht waren wir heute schon öfter. Der Weg ging jetzt steil bergauf. Die Ruine einer Burg taucht auf. Weitere Ruinen. Wir sind in Palio Pyli. Nur noch hundert Meter. Diese schlängeln sich durch Wald und Felsen berauf bis auf 320 m zur Taverne von Georgos. Die Taverne ist auf einer der Dorfruinen errichtet, etwa auf halber Höhe zum Berggipfel und bietet einen traumhaften Blick durch die Felsen hinab zum Meer und zur nächsten Insel, der für alle Strapazen entschädigt.

Gleich machen wir uns auf die Suche nach der Dose, denn dafür sind wir ja eigentlich hierher gekommen. Doch wir können nichts finden. Wir folgen dem Hinweis des Owners und fragen Georgos, den Taverneninhaber. Dieser ist ein wahrer Geocacher. Er verrät nichts, sondern erinnert uns an den zusätzlichen Hinweis im Listing, und dass wir nachdenken sollen. Wir nehmen erste einmal Platz an einen der rustikalen Tischchen und bestellen etwas zu trinken und den auf einem Schild angepriesenen Joghurt mit Honig. Während Georgos diesen zubereitet kommt uns eine Idee. Und tatsächlich, um 17.08 Uhr können wir das Döschen in unseren Händen halten.

Während wir loggen, genießen wir den Ausblick und den Joghurt. Herrlich, einfach nur herrlich. Doch, das hat sich gelohnt. Man hätte sich auch ein Auto mieten können, aber da wäre uns einiges entgangen.

Zum zweiten Cache sind es noch 2,3 km. Da wir wissen, wie weit 2,3 km hier werden können, verzichten wir für heute großzügig darauf. Wir sind ja noch ein paar Tage hier. Stattdessen unterhalten wir uns lieber nett mit Georgos. Ein freundlicher Mensch, der neben seiner Muttersprache nicht nur sehr gut englisch, sondern auch deutsch spricht.

Auf dem Rückweg sollten wir dann noch einen treuen vierbeinigen Begleiter treffen, den Sonnenuntergang erleben und unsere Taschenlampe zum Einsatz kommen. Um 22.44 Uhr waren wir wieder im Hotel. Das waren erlebnisreiche 35 km und der leckerste Joghurt mit Honig, den wir je gegessen hatten.