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Musik und Märchenschloss

Ich erinnere mich an die Stöpsel in meinem Ohr und schalte den Player ein. Ich habe am Vorabend die Playliste mit Bedacht zusammengestellt. Schliesslich soll die Reihenfolge aus zwei Fanta-Vier- und einem The-Killers-Album zu zurückgelegter und zurücklegender Distanz passen. Plötzlich schauen mich meine direkt neben mir laufenden Mitläufer komisch an. Ich muss relativ laut gelacht haben, als ich plötzlich den ersten Anrufer der Motivationsmailbox hörte. Bastian, Leidensgenosse in puncto Quälerei auf zwei Beinen, motiviert mich auf seine Art. Und das führte zu mindestens zwei lauten Lachern. Für meine Mitläufer muss das komisch gewesen sein. Ich erkläre kurz was ich da höre und ernte wohlwollendes Lächeln. Glück gehabt. Schon nach dem ersten Kilometer auf der Strecke isoliert zu werden war nicht das, was ich mir für heute vorstellte.

Es geht am wunderschönen Märchenschloss vorbei. Heute habe ich keinen Blick dafür. Das Kopfsteinpflaster um das Schloss herum macht mir ein wenig zu schaffen. Ich mag überhaupt nicht auf dem Pflaster laufen. Bei so einem Belag habe ich immer Angst umzuknicken. Daraus entsteht eine recht komische und dann auch anstrengende Laufhaltung. Ich gebe ein bisschen mehr Gas, um schnell drüber weg zu kommen. Und laufe in den Schlossgarten ein.

Ich hatte ja mal erwähnt, dass ich auch beim Laufen auf Gadgets nicht verzichten kann. Nachdem ich zahlreiche Lauf-Apps ausprobiert habe, bin ich bei zwei Tools hängengeblieben, wobei beim FSL eines davon zum Einsatz kam: MyTracks von Google. Das Teilchen gibt in von mir definierten Intervallen akkustisch Rückmeldung über zurückgelegte Entfernung, Zeit, Geschwindigkeit. Ich liege noch ein wenig unter der für heute uuuungefähr geplanten Zeit, die wiederum deutlich unter den Trainingszeiten liegt. Aber das ist Nebensache, ankommen zählt.

Vorbei an Ruderhaus und Tennisplatz, Vulkanspielplatz und Segelclub sind an der Badestelle Kalkwerder schon von weitem die Schirme der ersten Verpflegungsstation zu sehen. Es geht hektisch zu. Jeder will Wasser im Becher und für den Schwamm erwischen, keine Pause machen. Mir gelingt der erste Griff nach einem Pappbecher und ich jogge entspannt weiter. Das Wasser im Becher ist eiskalt, ich trinke ganz kleine Schlucke – bloss nichts riskieren. Nur wenig später erlebe ich zum ersten Mal das, was dem FSL als Ruf vorauseilt: Die unglaubliche Anteilnahme und Motivation an der Strecke. Im Schlossgarten, der feinsten Wohngegend der Landeshauptstadt, erwarte ich das nicht unbedingt, denn auf den wohlproportionierten und zum Schweriner See ausgerichteten Terassen sitzen schick gekleidete und mit allerhand Kristall und Funkelzeug behängte Herrschaften, die betrachten, wie sich die Pöbelschlange an ihrem Grundstück vorbeibewegt. Eine Familie jedoch steht am Weg, einen Rasensprenger in der Hand, spendiert den Läufern Abkühlung und Applaus. Sie müssen seit einer Stunde dort stehen und klatschen, ich laufe irgendwo im zweiten Drittel. Sie lachen den Läufern zu, toll.

Der Weg entlang dem Ufer des Schweriner Sees – der Franzosenweg – läuft sich besser und besser. Vorbei gehts am „Kreiswehrersatzamt“ (ihr müsstet wirklich mal sehen, in welcher 1A-Lage sich die Bundeswehr hier einen 1A-Neubau gegönnt hat…) Richtung Zippendorf. Hinter dem Schweriner Zoo folgt für die 15-Kilometer-Läufer eine scharfe Kurve, die durch den nagelneuen Kletterwald und vorbei am Zoo Richtung Ziel führt. Jedenfalls gefühlt – es ist ja noch nichtmal die Hälfte geschafft. Zwischen Kletterwald und Zoo stehen wieder viele Menschen und klatschen. Schönes Gefühl. Die nächsten Kilometer zieht sich das Feld am Faulen See (der seinen Namen aus einer relativ starken Bewegungsarmut heraus verpasst bekam) so langsam aber sicher auseinander. Es sind bei mir die Kilometer, wo ich versuche, mein Tempo zu laufen. Dennoch ist höllisch aufzupassen: Das schützende Blätterdach ist nahezu verlassen, der Teer scheint auf einigen Abschnitten schon zu kleben.

Geocaching: Schweriner Seen sehen

Wenig später überquere ich zum ersten Mal eine Straße – die von zwei Polizisten gesperrt ist. Die Autofahrer scheinen Geduld zu haben, feuern aus den Autos an. Ich konzentriere mich auf die nächste Wasserstation. Diesmal will ich die Schritte an und nach der Station gehen – die Sekunden machen es auch nicht aus. In mein Ohr dringt das nicht gänsehautfreie Gebell eines ziemlich grossen Hundes. Was ist hier los? Es dauert, bis ich realisiere, dass das Hundchen vom Band kommt. Und dass das Hundchen vermutlich kein Hundchen, sondern ein Rottweiler ist, der dem Herrn Cache gehört – dass ich recht habe, höre ich am Ende von knapp 80 Sekunden Gebell. Ich bin schneller als geplant am Wasser. Kurzes Päusgen, Luft holen, Wasser trinken, Wasser über den Kopf giessen.
Wieder sind ganz viele fleissige Hände am Werkeln. Wieder mit ganz viel Liebe, Unterstützung und Selbstverständlichkeit. Wieder ein tolles Gefühl.

Der Weg führt mich nun um den Ostorfer See, ich geniesse Aus- und Anblicke. So fällt mein Blick quer über den See auf die einzige Insel. Ein Cache liegt dort, den ich in Vorbereitung eines kleinen Events gehoben habe. Es war vor dem Geburtstagsevent, und es war auch im Juli. Der Weg wird staubiger. Ich schmecke Sand. Aber die nächste Wasserstation ist schon in Sicht. Wieder sind es Anwohner, für eimerweise frisches Wasser sorgen. Ich schaffe es, im Vorbeilaufen meinen Schwamm tief in den Eimer zu drücken. Eine Wohltat, wenn der Schwamm dann auf dem Kopf das kalte Wasser langsam wieder freigibt.

Ich habe mittlerweile mehr als die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Und ich höre Gesang. Die Sterntaler dringen an mein Ohr. Aufwändig haben sie ihre Unterstützung produziert. Ich bin begeistert, gerührt und fühle mich gut. Stark genug, um die letzten, die richtig harten Kilometer anzugehen. Durch eine Gartenanlage geht es entlang des Ufers vom Grimkesee. Der vorletzte See, den ich heute laufend zu sehen bekomme. ArDo hatte „damals“ eine Tour begonnen: Schweriner Seen sehen. Eine schöne Idee. Denn schaut man sich die Stadt aus der Luft an, sieht man erst so richtig, wieviel Wasser uns hier wirklich umgibt. Tolle Stadt. 😉 => weiterlesen